| Oberlandesgericht Koblenz

Beispiel 2 - Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung („Islamischer Staat“)

Der 2. Strafsenat - Staatsschutzsenat - des Oberlandesgerichts Koblenz hat heute gegen die 27-jährige deutsche Staatsangehörige Sarah B. wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1 Strafgesetzbuch) eine Jugendstrafe von 2 Jahren verhängt, deren Vollstreckung für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde (Urteil vom 17. November 2022, Aktenzeichen: 2 StE 6 OJs 5/20).

Der Senat sah es nach dem Ergebnis der Beweisausnahme als erwiesen an, dass die Angeklagte im Zeitraum von Mitte September 2014 bis Ende Februar 2019 Mitglied der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) war.

Die Angeklagte habe sich nach dem frühen Tod ihrer Mutter intensiv mit dem Islam auseinandergesetzt und eine tiefe Religiosität entwickelt. Ihr Entschluss, mit ihrer Schwester, ihrem Bruder und dessen Ehefrau nach Syrien zu reisen und sich dort dem IS als Mitglied anzuschließen, sei von dem Wunsch getragen gewesen, ihre Religiosität als Muslimin ungestört ausüben zu können. Nachdem sie und ihre Begleiter nach Passieren der syrischen Grenze von Angehörigen des IS in Empfang genommen worden seien, habe sich die Angeklagte entsprechend ihres vorgefassten Entschlusses der Organisations- und Befehlsstruktur des IS sowie dem Willen der Vereinigung unterworfen und sich in diese eingegliedert.

Im November 2014 habe die Angeklagte einen somalischstämmigen Angehörigen der Vereinigung geheiratet und mit diesem in Raqqa gelebt. Ihr Ehemann habe sich kurz nach der Hochzeit dem bewaffneten Kampf des IS angeschlossen und sei im Januar 2015 bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen. Im Verlauf des Jahres 2015 habe die Angeklagte aus dieser Beziehung eine Tochter zur Welt gebracht.

Im April 2016 habe die Angeklagte erneut geheiratet. Ihr zweiter Ehemann sei ebenfalls Kämpfer des IS gewesen. Von diesem habe sich die Angeklagte allerdings nach einer Woche wieder scheiden lassen. Im Sommer 2016 habe die Angeklagte ein drittes Mal geheiratet, um finanziell versorgt zu sein. Auch dieser dritte Ehemann sei Angehöriger des IS gewesen, jedoch kurze Zeit nach der Eheschließung unter ungeklärten Umständen verschwunden. Aus dieser Ehe habe die Angeklagte im August 2017 einen Sohn geboren, der indes wenige Tage nach der Geburt gestorben sei. In den darauffolgenden anderthalb Jahren habe sich die Angeklagte auf der Flucht befunden, als der IS durch kurdische Kräfte zunehmend zurückgedrängt worden sei. In dieser Zeit sei die Angeklagte eine weitere Ehe mit einem Eisenwarenverkäufer aus Bosnien eingegangen, der verletzungsbedingt nicht für den IS habe kämpfen können. Auch dieser Ehemann sei kurz nach der Hochzeit bei einem Bombenangriff umgekommen.

Ende Februar 2019 habe sich die Angeklagte schließlich in ein von Kurden geführtes Lager in Nordsyrien bringen lassen. Der Senat gelangte zu der Überzeugung, dass die Angeklagte zu diesem Zeitpunkt den Entschluss gefasst gehabt habe, nach Deutschland zurückzukehren und sich vom IS loszusagen. Dieser Zeitpunkt markiere daher das Ende ihrer mitgliedschaftlichen Betätigung für den IS.

Der Senat hat Jugendstrafrecht zur Anwendung gebracht, weil die Angeklagte zu Beginn der Tat im Jahre 2014 Heranwachsende war und nach Überzeugung des Senats Reifeverzögerungen zu bejahen sind.

Bei der Strafzumessung hat der Senat zu Lasten der Angeklagten unter anderem berücksichtigt, dass diese über einen relativ langen Zeitraum dem IS angehört hat. Zugunsten der Angeklagten floss in die Strafzumessung neben weiteren Aspekten ein, dass sie vor Begehung der vorliegenden Tat strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten war, ein umfassendes, von Reue und Einsicht getragenes Geständnis abgelegt und sich für ihre Tat aufrichtig entschuldigt hat. Der Senat hat ferner berücksichtigt, dass sich die Angeklagte erkennbar von der Ideologie des IS gelöst und seit Beginn der Untersuchungshaft an einem Deradikalisierungsprogramm teilgenommen hat. In die Strafzumessung eingeflossen ist zudem der Umstand, dass der Aufenthalt der Angeklagten im syrischen Kriegsgebiet für sie erhebliche gesundheitliche Konsequenzen hatte. Schließlich hat der Senat bei der Strafzumessung auch die Zeit des Lageraufenthaltes zugunsten der Angeklagten berücksichtigt.

Bei Abwägung aller Strafzumessungskriterien hielt der Senat eine Jugendstrafe von 2 Jahren für tat- und schuldangemessen. Die Vollstreckung dieser Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, weil die Angeklagte zur Überzeugung des Senates die Phase der religiösen Radikalisierung endgültig hinter sich gelassen hat und unter anderem deshalb die Begehung weiterer Straftaten von ihr nicht zu befürchten sei.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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